Katholiken einen Weg gewiesen

von

Franz Hitzes Rolle für die katholische Arbeiterbewegung

Der im März 1851 als Bauernsohn geborene Franz Hitze, trat im Jahre 1875 der Würzburger Unitas bei. Dort hielt er im Rahmen der Wissenschaftlichen Sitzungen seiner Unitas vor seinen Bundesbrüdern drei Referate über die soziale Frage, die im Anschluss in sein erstes Buch mündeten: „Die soziale Frage und die Bestrebungen zu Ihrer Lösung mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen sozialen Partelen in Deutschland" (Paderborn 1877).

Sein zweites, umfassendes Buch „Kapital und Arbeit und die Reorganisation der Gesellschaft" (Paderborn 1880) verfasste er während seiner Studien zum Campo santo in Rom. Hitze schrieb darin u. a.: „Der Arbeiterstand ist nicht rechtlos gegenüber dem Kapital, ist nicht auf Kapitals Gnaden angewiesen, sondern steht ihm als gleichberechtigter Stand gegenüber. Der Stand der Eigentümer, der Kapitalisten, hat strenge Rechtspflichten gegenüber dem Arbeiterstand, ist nicht souverän in seinem Eigentum." Auf Grund seiner Schriften und Vorträge wurde Franz Hitze nach Abschluss seiner Studien in Rom 1880 von dem München-Gladbacher (heute: Mönchen-Gladbach) Textilfabrikanten Franz Brandts gebeten, Generalsekretär des Verbandes „Arbeiterwohl" zu werden. Mit Genehmigung seines Bischofs stimmte Hitze zu. Er war damit der erste Geistliche, der sich hauptamtlich mit der sozialen Frage beschäftigte. Im Verband „Arbeiterwehr" hatten sich erst seit kurzer Zeit einige katholische Industrielle und Arbeiterfreunde zusammengeschlossen, um einen Beitrag zur Lösung der Arbeiterfrage zu leisten. Ab 1881 redigierte Hitze die Zeitschrift „Arbeiterwehr". Sie war unter seiner Leitung Forum der Auseinandersetzung in Fragen der Sozialpolitik, besonders des Arbeiterschutzes. Den Arbeitgebern machte er den Vorwurf: „Die Unterlassungen der Arbeltgeber sind gefährlicher als die Agitationen der Sozialdemokraten."

277 Vereine mit 60.000 Mitgliedern

Durch die Enzyklika „Humanum genus" von Leo Xlll. sah er sich bestätigt in seinem Einsatz für die weitere Gründung katholischer Arbeitervereine. Dazu rief er auf dem Katholikentag in Amberg (1884) auf und konnte auf dem Katholikentag in Bochum (1889) auf 168 Arbeitervereine, 51 Knappenvereine, 26 Arbeiterinnenvereine und 32 Vereine jugendlicher Arbeiter mit insgesamt 60.000 Mitgliedern hinweisen. Franz Hitze gilt als Begründer und Organisator der katholischen Arbeiterbewegung. Dazu steht nicht Im Widerspruch, dass er sich gegen die „Integrale Richtung" - vor allem der Bischöfe Kopp von Breslau und Korum von Trier - für interkonfessionelle christliche Gewerkschaften einsetzte. Dadurch trug Hitze wesentlich dazu bei, dass die deutschen Katholiken in wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen mit evangelischen Christen zusammenarbeiteten.

Mit Franz Brandts und Ludwig Windthorst war Franz Hitze 1890 Gründer des „Volksvereins für das katholische Deutschland", dessen geistiger Initiator er war. Der Volksverein sollte die soziale Gesamtbewegung der deutschen Katholiken werden. Er wirkte durch Vorträge, Kurse und Publikationen. Er führte die deutschen Katholiken zur tätigen Mitarbeit in Staat und Gesellschaft und stellte dem kämpferisch-atheistischen Sozialismus eine sozial aufgeschlossene Volksbewegung entgegen. Aus dem Volksverein gingen bedeutende Sozialpolitiker und Arbeiterführer hervor. 1914 zählte er über 800.000 Mitglieder.

Mitbegründer des Caritas-Verbandes

Hitze packte immer dort an, wo er praktische Möglichkeiten zur Minderung und Meisterung der täglichen Not in ihren vielen Erscheinungsformen sah. Es ist daher verständlich, dass er hervorragend an der Gründung des Caritas-Verbandes für ganz Deutschland beteiligt war, die offiziell am 7. November 1897 in Köln erfolgte.

Franz Hitze blieb dem Volksverein auch verbunden, als er im Jahre 1893 seinen Wohnsitz von Mönchen-Gladbach nach Münster verlegte. Dort übernahm er den eigens für ihn von der preußischen Regierung geschaffenen ersten und über Jahrzehnte einzigen deutschen Lehrstuhl für christliche Gesellschaftslehre, zunächst als außerordentlicher, ab 1903 als ordentlicher Professor. Treibende Kräfte zur Berufung Hitzes waren seine unitarischen Freunde in der theologischen Fakultät zu Münster, Professor Aloys Schäfer, der Mitbegründer der Unitas in Würzburg und spätere Bischof in Sachsen, und Professor Joseph Mausbach, der vor seiner Berufung nach Münster ebenfalls in Mönchen-Gladbach und zwar als Gymnasiallehrer gewirkt hatte.

Ehrendoktor von Loewen

Da Hitze das Doktorexamen fehlte, lenkte Mausbach die Aufmerksamkeit der Universität Loewen auf den großen Sauerländer Franz Hitze. Die Universität Loewen verlieh Hitze das theologische Ehrendoktorat. Hitze lehrte bis 1920 in Münster. Sein Nachfolger wurde Professor Heinrich Weber. Die Nationalsozialisten schafften den Lehrstuhl ab. Nach dem 2. Weltkrieg wurde zweiter Nachfolger von Hitze Professor Joseph Höffner, der zwischenzeitliche Erzbischof von Köln. Dritter Nachfolger ist Professor Wilhelm Weber (Referent auf der 94. Generalversammlung des UV in Hildesheim). Die meiste Zeit und die größte Kraft forderte die parlamentarische Arbeit von Franz Hitze. Von 1882-1893 und von 1898-1912 gehörte Hitze dem Preußischen Abgeordnetenhaus, seit 1884 - vom 33. Lebensjahr - bis zu seinem Tode dem Deutschen Reichstag an. Außerdem war er nach dem 1. Weltkrieg Mitglied der Weimarer Nationalversammlung.

Schwerpunkt: Arbeiterschutz

Noch bevor Hitze Mitglied des Reichstages wurde, war er zu den Beratungen der Reichstagsfraktion des Zentrums über Bismarcks Krankenversicherungsvorlage hinzugezogen worden. An der Diskussion um die Alters- und Invalidenversicherung nahm er als Reichstagsabgeordneter teil. Dabei ging es ihm entgegen den Vorstellungen Bismarcks darum, sowohl die Versicherung als auch die Versicherten nicht in zu große Abhängigkeit vom Staat geraten zu lassen. Der Schwerpunkt seiner parlamentarischen Arbeit lag auf dem Gebiet des Arbeiterschutzes. Schon in seiner „Jungfernrede" im Reichstag am 16. Januar 1885 nahm Hitze es mit dem Kanzler auf und trat für eine weitere Ausbildung des Arbeiterschutzes ein. Als Bismarck forderte „Legen Sie in acht Tagen noch einen Gesetzentwurf hier vor, der das verwirklicht, was Sie von der Regierung wollen", sagte Hitze die Bereitschaft des Zentrums zu innerhalb der gesetzten Frist die Gesetzesvorlage einzureichen. Unterstützt von zwei Fraktionskollegen (Lieber und Stötzel) wurde diese Vorlage ausgearbeitet und pünktlich dem Reichskanzler vorgelegt. Der Ausbau des Arbeiterschutzes gelang aber erst nach der Ära Bismarcks unter Kaiser Wilhelm II., der 1890 seinen vertrautesten Berater, Georg Hinzpeter, nach Mönchen-Gladbach schickte, um Franz Hitze zu den Beratungen des Staatsrates über Arbeiterschutzfragen zu bitten. Diese Einladung wurde als Durchbruch der deutschen Katholiken aus dem politischen Ghetto gewertet, in das sie infolge des Kulturkampfes eingeschlossen waren.

In die neue Zeit geführt

Bbr. Professor Franz Mueller, der 1933 Deutschland verlassen musste und Professor am College of St. Thomas in Saint Paul Minnesota/ USA wurde, schrieb 1959 am Schluss eines Aufsatzes über Franz Hitze: „Mit Hitze erhielt die katholischsoziale Arbeit eine entscheidende Wendung zur gesellschaftlichen Neuordnung, allerdings unter Anerkennung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und des Willens der Arbeiter zur sozialen Mündigkeit und zur ebenbürtigen Eingliederung in das Wirtschaftsvolk und in die Volksgemeinschaft. Er betrachtete es als seine Aufgabe, seine deutschen Glaubensgenossen in die neue Zeit hineinzuführen und sie dazu anzuleiten, diese Zeit schöpferisch mitgestalten zu helfen. Wenn wir heute von einer sozialen Mündigkeit des katholischen Laien sprechen können, der sich anschickt, in verantwortlichem Einsatz selbst mitzuwirken an der Ausbreitung des Gottesreiches in dieser ihm geschichtlich aufgegebenen Welt, so danken wir dies auch dem Priester und großen deutschen Sozialpolitiker Prälat Hitze."

(Ausschnitt aus "Katholiken einen Weg gewiesen - Franz Hitze zum Gedenken" aus unitas 2/1975)

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