Franz Hitze, Stolz und Ruhm der Würzburger Unitas

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Just, als im neuen „Reiche" die wirtschaftliche Entwicklung mit unheimlicher Schnelligkeit ihren Lauf nahm, als eine einheitliche nationale Handelspolitik sich konsolidierte, der junge Maschinismus und die Gründungsinflation mit neuen Krisen und sozialen Erschütterungen drohten, nahm Hitze seinen Weg zur Alma mater. Er suchte seinen Platz zwischen zwei geistigen Welten. An der Grenze zwischen Norddeutschland und den Südstaaten, an der „Mainlinie", lag die erwählte Musenstadt. Würzburg war es, wo noch vor einem guten Lebensalter sich Bischof Franz Ludwig von Erthal als einer der ersten Landesfürsten um eine obrigkeitliche Wohlfahrtspflege und soziale Fürsorge in planmäßiger und großzügiger Weise bemüht hatte.

Bald nachdem Hitze sich hier als Studierender der Theologie in die Matrikel eingetragen hatte, wollte man ihn für eine Verbindung „keilen". Er wäre einem Eintritt nicht grundsätzlich abgeneigt gewesen, wenn diese erste Werbung nicht einen gar zu stürmischen Anlauf genommen hätte. Schon nach 14tägigem Verkehr erklärte das „alte Haus", das bereits vier hoffnungsvolle Füchse um sich zu scharen gewußt hatte: Entweder eintreten oder — Kündigung der Freundschaft. Das war zuviel für einen westfälischen Dickkopf aus dem Lande der Eisenhämmer. Nun zog Hitze es vor, unkorporiert zu bleiben und dem studentischen Dasein als „Kamel", d.h. als „Wilder" die besten Seiten abzugewinnen. Er gewann dadurch Zeit für seine Lieblingsstudien, zum Besuche des reich ausgestatteten Zeitschriftenzimmers der „Harmonie" — dem gesellschaftlich-literarischen Zentralpunkt der Gebildeten Würzburgs —, für Theater und Konzert und nicht zuletzt zur Mitarbeit in den karitativen studentischen Organisationen. In jenen Tagen führte ihn der Weg an einem Antiquariat vorüber, das — wie einst in Paderborn — erneuten Anstoß zur Vertiefung seiner sozialen Studien geben sollte. Hitze fand dort den ersten Band von Roßbachs „Geschichte der Gesellschaft", die für ihn, wie er später selbst äußerte — ein wirkliches Lebensereignis ward. Er las das Buch in einem Zuge und ruhte nicht eher, bis er auch die fehlenden Bände sein eigen nannte. Im Lokal des Volksbildungsvereins im alten Bahnhof, wo ein Teil der großen Bücherei Roßbachs untergebracht war, ging er jetzt ein und aus. Dazu musste der ihm befreundete Assistent der Universitätsbibliothek Schriften auswärtiger Sammlungen verschaffen. In allen Büchereien tauchte die hohe, männliche Figur des jungen Hitze mit dem stattlichen Vollbart auf. So gingen die ersten Semester in stillem Forschungseifer dahin.

Wie Unitas Würzburg gegründet wurde

Einst — es war im Jahre 1874 —, im Kolleg von Professor Hettinger, dem gefeierten Apologeten, lernte er einen Eichsfelder namens Aloys Schäfer (später Bischof in Dresden) kennen. Aus dem gelegentlichen Verkehr entwickelte sich bald eine innige Freundschaft, die ein ganzes Leben durchhalten sollte. Damals gesellte sich den beiden ein stud. theol. Doerner zu, der schon vier Semester in Münster studiert und dort Mitglied des von Prälat Hülskamp gegründeten und zum Unitas-Verband gehörenden wissenschaftlich-katholischen Studenten-Weg nach Würzburg über Bonn genommen, wo gerade die Generalversammlung jener Unitas-Vereine tagte. Als man hier von seiner Übersiedlung nach Würzburg erfuhr, legte man ihm nahe, dort die Gründung einer Schwesterkorporation zu versuchen. Begeistert, schon mit einem handgenialten Wappen unter dem Arm, zog Doerner nach Würzburg. Hitzes Freund Schäfer war ihm bereits in Bonn als Keilfuchs genannt worden, und er hatte diesen auch bald für seine Pläne gewonnen. Während Hitze durch Krankheit und Tod seines Vaters (der am 11. Januar 1875 starb) in der fernen Heimat abwesend sein musste, vollzogen Doerner und Schäfer mit vier anderen Kommilitonen am 8. Dezember 1874 die Gründung einer Würzburger Unitas mit den Prinzipien Mannestum, Wissenschaft und Freundschaft. Schäfer hatte bereits begeistert nach Hanemicke berichtet und seinem Freunde klarzumachen versucht, dass sein Beitritt nach der Rückkehr selbstverständlich sei. Hettinger habe „es auch gemeint" und dessen würdige Schwester Babette es bestätigt.

Hitzes Weg zur Unitas

Anfangs hatte Hitze das Bedenken, sein Beitritt könne diejenigen Korporationen verletzen, die ihn vor drei Jahren zuerst zu „keilen" versucht. Auf Schäfers Vorschlag wurde Professor Hettinger um eine „moraltheologische" Entscheidung angerufen, der nicht ohne Schäfers Beeinflussung sich dahin äußerte, dass die Unitas eben einen wesentlich andern Charakter habe als andere Verbindungen, so dass letztere keine Zurücksetzung darin erblicken könnten. Tatsächlich handelte es sich hier auch um eine Vereinigung, deren ausgesprochen religiös-wissenschaftliche Grundlage der Freundschaft sich von den mehr geselligen Korporationen erheblich unterschied. Jedenfalls entschloss sich Hitze, den Hagestolz aufzugeben und seinen sozialen Neigungen durch den Eintritt wieder mehr gerecht zu werden. Und so finden wir denn am Schluss des mit seinen Schnörkeln geschriebenen Protokolls der fünften Sitzung der jungen Würzburger „Unitas" die Bemerkung: „Es beehrte uns an diesem Abend mit seinem Besuche Herr Hitze, stud. theol." Mit Rücksicht auf die Trauer Hitzes wurde die feierliche Aufnahme auf das Sommersemester verschoben. Das Protokoll vom 25. Mai 1875, an welchem Tage die endgültige Aufnahme erfolgte, verrät uns, dass „dadurch einem Wunsche entsprochen, den jedes Mitglied schon seit dem ersten Entstehen unseres Cötus so ganz im Stillen bei sich gehegt." Hitze wählte den Spitznamen
Wolfram — recht poetisch gegenüber seiner Bevorzugung des Verstandesmäßigen — und wurde wegen seiner sechs Semester gleich als Bursch aufgenommen.

(Auszug aus "Aus der Würzburger Studentenzeit des großen deutschen Sozialpolitikers" von Bbr. Universitätsprofessor Dr. Franz Müller in unitas 5/1958)

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