Muss man alles glauben, was in der Bibel steht?

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Theologischer Gesprächsabend mit Hochschulpfarrer Christoph Scherer

Karlsruhe. Am 09.11.2021 fand unser Theologischer Gesprächsabend auf dem Unitas-Haus statt. Dieses Semester wollten wir uns mit der Frage beschäftigen, an welchen Stellen man an der Bibel zweifeln kann und wo wir selbst zweifeln. Der Abend startete mit einem Impulsvortrag unseres neuen Hausgastes Elias, in dem er erläuterte, dass wir alle bestimmte Bibelstellen und Geschichten kennen würden, die wir nur mit Vorbehalt glaubten, wenn überhaupt. Gemeinsam mit dem Studentenpfarrer der KHG Christof Scherer wurden diese "Stolpersteine" gesammelt, um sie im Verlauf des Abends gebündelt zu besprechen.

Größtenteils diskutierten wir auf der Faktenebene. Den Startpunkt bildete das Glaubensbekenntnis: man kann festhalten, wie auch Paulus sagte, dass die Auferstehung Kern unseres Glaubens ist. Das Gebet ist aber zum Teil ein kirchenpolitisches Werk, welches sich über die Zeit verändert hat, um unterschiedliche Stellungnahmen der Kirche zu betonen. An dieser Stelle knüpfte der nächste Stolperstein an: die Schöpfungsgeschichte. Es ist in der Natur der Menschen Sachen auf den Grund zu gehen und bei der Schöpfung/Entstehung des Universums weiß man relativ wenig Handfestes, was uns alle neugierig und interessiert macht. Da die Menschen "etwas Besonderes" seien, kann gut dafür argumentiert werden, dass die Welt erschaffen wurde. Aber gerade heutzutage gibt es eine neue Forschungsrichtung an manchen theologischen Universitäten, in der intensiv diskutiert wird, ob die Menschen vielleicht doch Tiere seien (oder mit den Tieren im schöpferischen Sinne gleichgesetzt seien).

Die Wunder, die Jesus laut Bibel gewirkt hat, bildeten natürlich weitere Stolpersteine. Warum wurden diese Wunder überhaupt vollbracht? Weshalb so viele/wenige? Gab es auch andere, die nicht dokumentiert wurden? Sind diese Wunder überhaupt geschehen? Papst Benedikt sagte zum Thema einst, dass irgendetwas geschehen sein muss, da es sonst keinen Sinn ergeben würde diese Ereignisse festzuhalten. Die Frage warum nicht mehr Wunder geschehen seien, konnten wir uns nur so beantworten, dass das nicht das primäre Ziel Jesu war bzw. nicht seine Mission. Unsere Erklärung: Er hatte wichtigere Aufgabe auf Erde als die Körper der Kranken zu heilen - er wollte die Seelen der Menschen heilen und retten.

Im weiteren Verlauf des Abends wurde auch angesprochen, weshalb Israel das ausgewählte Volk war, warum Gott öfters Menschen bestraft habe oder Völker von der Erde gelöscht wurden. Wir waren uns einig, dass es einen Lernprozess nicht nur für Menschen gegeben haben muss, sondern auch für Gott. Mit dieser Logik scheint auch die Schöpfungsgeschichte einfacher zu glauben, wenn man der Meinung ist, dass das Werk Gottes nicht fehlerfrei war/ist und immer wieder Änderungen, Verbesserungen und Korrekturen vorgenommen wurden.

Die Faktenebene wurde mit der Frage geschlossen, ob wir so wie Kinder glauben sollten. Kinder haben ein gewisses Urvertrauen und sehen die Welt anders bis sie eigene (negativen) Erfahrungen machen. Unser Verhältnis zu Gott kann sich ganz ähnlich entwickeln.

Zum Schluss wollten wir noch die moralische Ebene des Themas ins Gespräch bringen: so beispielsweise die unbefleckte Empfängnis. Dass Jesus Sohn Gottes ist, stand außer Diskussion, weil an der Stelle die biologische Frage zweitrangig ist. Wichtig sei, dass er auf Erden mit Vollmacht gehandelt hat.
In den intensiven Austauschrunden wurde auch die Stellung der Kirche zur Homosexualität angesprochen. Die Frage ist sehr komplex und bietet natürlich ein sehr breites Spektrum möglicher Einstiegspunkte. Auch unser geistliche Begleiter des Abends nannte die Beurteilung dieser Frage in der Geschichte nicht linear und einer ständigen Veränderung unterlegen - ebenso wie die moralische Beurteilung in der Gesellschaft.
Nach über zwei Stunden persönlichen Austausches und Diskussionen konnte sich Senior Patrick Lohmüller bei allen Beteiligten und insbesondere Studentenpfarrer Christoph Scherer für einen intensiven Abend bedanken. Doch auch nach dem offiziell Ende der Veranstaltungen gingen die Diskussionen über die verschiedenen Impulse noch lange in kleineren Runden weiter.

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