Krone-Seminar 2025

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„Europa: Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ – Bericht über das Krone-Seminar 2025 in Brüssel

Ende März trafen sich 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus insgesamt 8 Unitas-Vereinen in Aachen, Berlin, Bonn, Freiburg, Heidelberg, Marburg, Würzburg und Erfurt zum zweiten Krone-Seminar des Unitas-Verbandes in Brüssel. Der erste Versuch war 2023 geglückt, als das seit 1973 jährlich stattfindende Krone-Seminar anlässlich des 60. Todestages von Bbr. Robert Schuman, „Vater Europas“ und erster Präsident des Europäischen Parlaments (1958-1960), in Brüssel stattfand. Diesmal ging es um die geopolitischen und inneren Bedrohungen für den Frieden und die Freiheit in Europa.

75 Jahre „Schuman-Plan“: Die EU feiert Jubiläum

Das Projekt der friedlichen Einigung Europas nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs wurde von Bbr. Robert Schuman als dem damaligen Außenminister Frankreichs mit seinem Schuman-Plan am 9. Mai 1950, genau vor 75 Jahren, angestoßen, um eine Aussöhnung der beiden „Erbfeinde“ Frankreich und Deutschland zu beginnen und künftige Kriege zwischen ihnen zu verhindern. Die aus seinem Plan hervorgegangene heutige Europäische Union (EU) steht aktuell unter Druck durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Handelskriege, autoritäre Regime und die Herausforderungen nationalistischer und extremistischer Parteien in vielen Staaten Europas. Mit Brüsseler Korrespondenten und kundigen Referenten vor allem aus den EU-Institutionen konnten die Aktiven sich zu den aktuellen Themen austauschen. Die Tagungsleitung übernahm Bbr. Christian Poplutz (AHB-Vorsitzender), tätig als Ministerialrat für das Ressort Justiz und Rechtsstaat in der Vertretung des Landes Hessen bei der EU, deren Räumlichkeiten freundlicherweise vom Land Hessen für das Krone-Seminar zur Verfügung gestellt wurden. Mit im Leitungsteam waren Bbr. Marek Steinbach, Vorsitzender des Beirats für Gesellschaftspolitik, und Präses Bbr. Pastor Tobias Spittmann, der als Geistlicher Beirat des Verbandes alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer geistlich förderte und forderte. 

Erster Programmpunkt war eine Eucharistiefeier in der Chapelle de la Résurrection (Auferstehungskapelle), der von den Jesuiten betreuten Kirche im Europaviertel. Der deutsche Jesuit P. Bernd Günther SJ hielt den Gottesdienst wie dort üblich in englischer und französischer Sprache und lud nach dem Evangelium zu einer gemeinsamen Reflexion ein anstelle einer Predigt. Der Text aus dem 13. Kapitel des Lukasevangeliums (Gleichnis vom Feigenbaum) rief hierbei in die Gemüter, wie wichtig eine zweite Chance für die menschliche Existenz ist – geistlich wie weltlich.

Gespräche über die EU in der Multikrise und aktuelle Entwicklungen im Journalismus

Den Reigen der Referenten eröffnete - nach einer Erläuterung der Aufgaben der hessischen Vertretung durch Bbr. Christian Poplutz und einer Einführung in das Seminarthema - Peter Kapern, Deutschlandfunk-Korrespondent in Brüssel. Er umriss kurz die „Multikrise“, in welcher die EU sich befinde, und öffnete sich den Fragen der Aktiven. Dabei standen die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten der EU und die Rolle des Journalismus im Vordergrund, außerdem die Frage, welche Rolle Deutschland künftig spielen werde. Zu seinem journalistischen Selbstverständnis zitierte Kapern das Diktum Hans Joachim Friedrichs’, „einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“. Zu beobachten sei aber, dass dem heute oft zuwidergehandelt werde, es gebe einen Trend zum Aktivismus in der Berichterstattung und zur betont subjektiven Berichterstattung über Einzelschicksale.

Auch am Ende des Seminars stand das Gespräch mit einem Journalisten: FAZ-Korrespondent Hendrick Kafsack, der hauptsächlich über wirtschaftspolitische EU-Themen berichtet, ging auf Fragen der Seminarteilnehmer ein, die sich besonders um das Thema Künstliche Intelligenz drehten, aber auch um den Arbeitsalltag eines Journalisten. Er wies darauf hin, dass die deutschen Medien im internationalen Vergleich durch relativ viele Korrespondenten in Brüssel vertreten sind. Besonders relevant sei KI bei der Vermarktung von Medien auf Social Media oder bei sog. quality-of-life-Funktionen, um Konsumenten an sich zu binden (etwa durch die Zusammenfassungsfunktion bei einem Artikel in der App). Für die Berichterstattung und Recherche hingegen eigne sich KI noch nicht, denn Informationen beispielsweise aus einem Dokument zu beschaffen funktioniere immer noch schneller manuell, wenn man wisse, was man tut.

Einblicke in die Ständige Vertretung, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, den Beobachter der Länder bei der EU und das Europabüro von Siemens

Zur Gewinnung von Einblicken in die EU-Institutionen Rat, Parlament und Kommission sowie in die Arbeit weiterer Brüsseler Akteure standen viele Besuche und Gespräche auf dem Seminarprogramm. 

In der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU erklärte EU-Rechtsberaterin Manuela Ulrich die verschiedenen Organe der EU und ihre Aufgaben. Sie ging naturgemäß besonders auf den Rat der EU ein (der gerne mit dem Europäischen Rat verwechselt wird, welcher wiederum etwas gänzlich anderes ist als der Europarat, der eine eigenständige internationale Organisation ist), in welchem alle 27 Mitgliedstaaten vertreten sind und dem zusammen mit dem Parlament die Gesetzgebung der EU obliegt. 

Markus Pösentrup, Mitarbeiter des hessischen MdEP Michael Gahler (CDU/EVP), eräuterte im Europäischen Parlament dessen Arbeitsweise. Das Parlament arbeitet in einem strukturierten Rhythmus, Plenartagungen finden regelmäßig in Straßburg statt, Ausschuss- und Fraktionssitzungen in der Regel in Brüssel, wo sich auch die Büros der Abgeordneten befinden. Die Ausschüsse bereiten die Gesetzgebungsarbeit des Plenums inhaltlich vor, indem sie Experten anhören, Berichte verfassen und über Änderungsanträge beraten. Die Mehrheitsbildung im Europäischen Parlament erfolgt auf unterschiedliche Weise unter Berücksichtigung sowohl nationaler Interessen als auch parteipolitischer Grundlinien der Fraktionen. Zugleich spielt die Sacharbeit aber auch eine große Rolle, so dass Mehrheiten auch durch die Zusammenarbeit von Abgeordneten mit ähnlichen Positionen zu bestimmten Themen entstehen, die partei- und länderübergreifend geteilt werden. 

Prof. Dr. Clemens Ladenburger stellte die Arbeit des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission vor, dessen stellvertretender Generaldirektor er ist. Über 300 Juristen seien dort für die Rechtsberatung der Kommission zuständig und der Kommissionspräsidentin unterstellt. Zum einen umfasse der Zuständigkeitsbereich die Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge (die Kommission hat als einzige EU-Institution das Gesetzgebungsinitiativrecht) und Beschlussvorlagen, zum anderen vertrete der Juristische Dienst die Kommission gerichtlich. Letzteres sei vor allem für Vertragsverletzungsverfahren der Fall, von denen aktuell 1.000 geführt werden, wobei es aber oft zu außergerichtlichen Einigungen käme. Im Gespräch kamen auch aktuelle Themen zur Sprache, u.a. neue Gesetzgebungen über sichere Drittstaaten und Migration, Europol, das Thema Rechtsstaatlichkeit und die schwierige Kooperation mit Ungarn. Bemerkenswert sei, dass der Juristische Dienst Elemente aus verschiedenen Rechtssystemen übernehme und die Diskussionen eine kulturelle Prägung mit unterschiedlichen Verständnissen hätten. So sei z.B. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Deutschland eingeflossen oder die besonderen Transparenzpflichten aus Skandinavien. 

Die deutschen Länder unterhalten in Brüssel eine eigene Dienststelle, den Beobachter der Länder, worüber dessen Leiterin Sabine Overkämping berichtete: Aufgabe dieser Einrichtung sei es, neben dem jeweiligen zuständigen Bundesminister an den Sitzungen des Rates der EU teilzunehmen und die Landesregierungen zu informieren. Obwohl eine Unterrichtung der Landesregierungen durch die Bundesregierung existiere, hätten die Länder mit dem Beobachter weiterhin einen direkten Zugang zu den Institutionen; von Relevanz ist dies vor allem auch, wenn die Länderkompetenzen berührt sind. Es bestünde eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und den Bundesratsbeauftragten, die auf Arbeitsebene in den vorbereitenden Arbeitsgruppen im Rat tätig sind. 

Ebenfalls besucht wurde das Europabüro Brüssel der Siemens AG mit seinem Leiter Fbr. Dr. Benedikt Kuttenkeuler (KDStV Gothia Würzburg, CV). Die Siemens-Vertretung in Brüssel verfolgt – wie andere Verbände und Unternehmen auch – das Ziel, frühzeitig faktenbasiertes Lobbying zu betreiben, um mit geringem Ressourceneinsatz größtmöglichen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu erzielen. Dabei werden sowohl die Interessen von Siemens als auch die der Kunden berücksichtigt. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Energie/Klima, Digitalisierung, Handel/Geopolitik und Nachhaltigkeit/Umwelt. Siemens ist bestrebt, regulatorische Hürden zu minimieren, beispielsweise durch das Aufzeigen von Umsetzungslücken oder durch die Förderung einer praxisgerechten Gesetzgebung. Gleichzeitig ist es wichtig, dass mittelfristig geplante technologische Entwicklungen regulatorisch unterstützt werden, damit sich Investitionen lohnen. Die Vertretung analysiert kontinuierlich das politische Umfeld, entwickelt Positionspapiere, führt ein Stakeholder Mapping durch und betreibt gezielte Advocacy-Arbeit insbesondere gegenüber der Europäischen Kommission, dem Parlament, den ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten und relevanten Think Tanks. In geopolitischen Fragen setzt sich Siemens für sinnvolle Handelsabkommen und ausgewogene Zölle ein, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und globaler Lieferketten zu erhalten.

Brüssel auch ohne EU: Stadtführung durch Belgiens Hauptstadt

Nicht fehlen durften Einblicke in den EU-Standort Brüssel und seine Rolle als Hauptstadt Belgiens. Diese gab es bei einer Stadtführung in Brüssel durch Jos Keunen, der Belgien und Brüssel sehr lebendig in ihren kulturhistorischen Eigenheiten darzustellen wusste. Vom Südbahnhof ging es durch das Marollen-Viertel, in dem viele belgische Comic-Figuren auf den Hausfassaden verewigt sind, über den Justizpalast und vorbei an der Hauptsynagoge zum Königspalast. Deutlich wurden die Aufteilung Brüssels in Ober- und Unterstadt und die sehr bewegte Geschichte der Stadt, symbolisiert durch den Großen Markt (Grand Place), der neben dem Rathaus die reich verzierten Zunfthäuser beherbergt. Nicht fehlen durften Touristenhotspots wie das “Manneken Pis” und die königlichen Galerien, die erste überdachte Einkaufsstraße Europas außerhalb von Paris.

Der Leib und seine Glieder – una in diversitate

Mit Reisesegen und einem geistlichen Impuls (Kor 12) von Bbr. Pastor Tobias Spittmann endete das Seminar. „Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen 

Gliedern. […] Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör?“. Uns allen sehr zugängliche Gedanken, denn ob es um den menschlichen Leib, die Kirche, die unitarische Familie, oder Europa geht – die Unterschiedlichkeit ihrer Glieder ist kein Hindernis, sondern ein Erfordernis. So schuf Gott jedes Teil, damit es una in diversitate Teil am Ganzen hat. Ein schönes Bild zum Abschluss, denn in Verschiedenheit geeint sollte Europa ganz sicher auch nach dem Wunsch von Bbr. Robert Schuman seine Zukunft gestalten. 

Bilderbogen

Unterwegs zum EP

Im Europäischen Parlament

Eucharistiefeier in der Auferstehungskapelle

Blick auf das Rathaus bei der Stadtführung

Bei der Ständigen Vertretung von Hessen

Im Gespräch mit Peter Kapern

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