Franz Hitze - ein Vorbild auch für uns?

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"Was hat uns Franz Hitze heute zu sagen?“ – Das klingt nur auf den ersten Blick wie Lehrer Bömmel in der „Feuerzangenbowle“. In Wirklichkeit geht es um etwas Zentrales: den Lebensbund. Denn dieser Lebensbund verbindet ja nicht nur alle Unitarierinnen und Unitarier, die heute leben, er ist auch eine Verpflichtung gegenüber den längst verstorbenen Bundesbrüdern und Bundesschwestern. Denn ihr Leben war immer auch ein unitarisches Zeugnis. Aus der Auseinandersetzung mit diesen Lebensgeschichten lassen sich Impulse ableiten, die uns dabei helfen können, in der Bemühung nicht nachzulassen, auch unserer Vita einen deutlich erkennbaren blau-weiß-goldenen Stempel aufzudrücken. Die Auseinandersetzung mit ihm steht stellvertretend für die Verpflichtung, die wir auch gegenüber den vielen unbekannten Unitariern haben, die sich in gleicher Weise von den Leitsternen virtus, scientia und amicitia durch ihr Leben haben führen lassen.

Zwei Leitmotive sind in Bbr. Hitzes Biographie klar erkennbar: die Festigkeit im Glauben und Treue zur Kirche und ihrem Lehramt einerseits und die Offenheit für die politischen und sozialen Fragen seiner Zeit andererseits. Dass es keineswegs selbstverständlich war und ist, diese beiden Motive harmonisch in Einklang zueinander zu bringen, sondern eine große Kraftanstrengung verlangt, zeigen die Herausforderungen, denen sich die Katholiken in den Jahrzehnten gegenübergesehen haben, die die Lebensspanne unseres Bundesbruders umfasst: Als „Reichsfeinde“ geschmäht und im Kulturkampf drangsaliert waren sie dem Generalverdacht ausgesetzt, nicht nur keine zuverlässigen Patrioten zu sein, sondern vor allem einem Glauben anzuhängen, der hoffnungslos unzeitgemäß sei. Dass nun ausgerechnet von diesen Katholiken Lösungen für die politischen und sozialen Probleme infolge der Industrialisierung zu erwarten seien, schien den Exponenten dieses Zeitgeistes vollkommen unwahrscheinlich.

Doch Bbr. Hitze gab auf die „soziale Frage“ Antwort. Auch heute sind wir einer Spannung ausgesetzt, die der von damals vergleichbar ist. Die Kulturkämpfe der Gegenwart sind anderer Art, aber der Zeitgeist ist genauso voller Skepsis, wenn es darum geht, auf die sozialen Fragen heute Antworten von uns Katholiken zu erwarten. Bbr. Hitze hat damals vor dieser Herausforderung nicht kapituliert, sondern sie unitarisch gestaltet. Diese Leistung verdichtet sich in einem Ereignis, das für unser unitarisches Zusammenleben typisch ist: in einer Wissenschaftlichen Sitzung. 1877 setzte der Student Hitze mit Wissenschaftlichen Sitzungen zur „Sozialen Frage“ bei der Würzburger Unitas den Anfang seiner wissenschaftlichen Karriere. Er antwortete auf die oben beschriebene Spannung, indem er gemäß den Prinzipien handelte. Da ist zunächst die Bereitschaft, diese Spannung überhaupt wahrzunehmen, ihr nicht auszuweichen, sondern sich ihr zu stellen, ohne dabei Kompromisse gegenüber dem Zeitgeist zu machen: virtus. Dann ist da die Art und Weise, wie er das tut, durch wissenschaftliche Auseinandersetzung nämlich: scientia. Und schließlich die amcitia: In der unitarischen Gemeinschaft findet unser Bundesbruder die emotionale Basis dafür, um sich in einer freundschaftlichen Atmosphäre diesen Aufgaben zu stellen und sie zu bewältigen. Bbr. Hitze ist uns ein Vorbild darin, die Möglichkeiten zu ergreifen, die uns unser unitarischer Lebensbund bietet. Die Wissenschaftliche Sitzung ist nicht nur eine Veranstaltung, die einfach irgendwie stattfindet, um der Form Genüge zu tun. Sie ist eine Chance, sie hilft uns dabei, die Spannungen, denen wir als Katholiken und Unitarierinnen und Unitarier in unserer Zeit ausgesetzt sind, für unsere persönliche Entwicklung fruchtbar zu machen.

Eine ausführliche Darstellung der Vorbildfunktion von Bbr. Franz Hitze findet sich in unitas 1/2021.

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