Die soziale Epoche der Unitas

von

Franz Hitze als Wegbereiter

Ein Abschnitt unitarischer Geschichte darf mit Fug und Recht als "soziale Epoche der Unitas" bezeichnet werden. Franz Hitze und Heinrich Pesch haben ihr in besonderem Maße das Gepräge gegeben, haben ihrerseits aber auch von der Unitas entscheidende Impulse für ihre Arbeit empfangen. Im Freundeskreis der Unitas gewannen sie auch zahlreiche Mitarbeiter. Schon vom Mitbegründer der ältesten Unitas, dem Kölner Generalvikar Kleinheidt, rühmt ein Nachruf: "Er nahm sich in besonderem Maße der sozial Schwachen an und suchte ihnen durch Errichtung eines Wohn- und Altersheimes den oft trostlosen Lebensabend zu erleichtern." Überall arbeiteten Unitarier an der sozialen Front: Der westfälische Mundartdichter Augustin Wibbelt gehörte als junger Kaplan im Ruhrgebiet zu den Gründern des Christlichen Metallarbeiter-Verbandes. Der frühere Freiburger Student und spätere Universitätsprofessor Joseph Schmidlin rief als junger Vikar den ersten Arbeiterinnen-Verein im Elsaß ins Leben. Joseph Drammer, durch den Kulturkampf zunächst nach Rom verschlagen, gründete nach seiner Rückkehr 1883 in Köln einen Verein für jugendliche Arbeiter, zwölf Jahre später zusammen mit Franz Hitze den Gesamtverband der katholischen Jünglings-Vereine Deutschlands, deren Generalpräses er wurde. Ludwig Windthorst holte ihn als Generalsekretär in die Führung des Volksvereins für das katholische Deutschland, die zahlenstärkste und volkstümlichste Organisation, über die die deutschen Katholiken je verfügt haben. Eugen Schatz und Paul Beusch fanden dort ein ideales Betätigungsfeld.

Von Beusch rühmt Carl Sonnenschein in seinen „Weltstadt-Notizen": „Ganz wunderbar und groß war seine Verwurzelung im Volk. War seine persönliche Echtheit. War seine soziale Hingabe ... Über sein Grab hinaus ist uns dieser jugendliche wurzelechte Katholik, dem im Sturm die Herzen unserer handarbeitenden Freunde entgegen flogen und er ein wissenschaftlich Tüchtiger war, ein Beispiel... Paul Beusch ist der Typus dieses volksverwurzelten Akademikers gewesen ... Ein Unitarier, der die Berufung des katholischen Gebildeten begriffen hat".

Franz Hitze in Würzburg geprägt

Für Franz Hitze sind nach eigenem Geständnis die aktiven Semester bei Unitas Würzburg entscheidend für seine gesamte Lebensarbeit geworden. Er hat die soziale Frage in den Unitas-Verband hineingetragen, und durch ihn haben zahlreiche andere Unitarier Anregung und Zielrichtung für ihre spätere sozialpolitische Tätigkeit und ihre öffentliche Wirksamkeit gefunden. Im Kreise der Unitarier und im deutschen Katholizismus wird der Name von Paul Jostock (1895-1965) stets in Ehren genannt werden. Geleitet vom Ethos christlicher Caritas und vom Bekenntnis zur personalen Würde des Menschen, vertrat er die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit kompromisslos aus katholischer Überzeugung. Die sozialen Enzykliken der Päpste erläuterte er in grundlegenden Publikationen, und die katholische Soziallehre baute er wesentlich aus. Seinen mannhaften Kampf für die sittlichen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit erwiderten die Nationalsozialisten mit erbitterter Feindschaft und Verfolgung.

Noch in seinem Todesjahr ehrte der Deutsche Gewerkschaftsbund unseren Bundesbruder durch die Verleihung des Kulturpreises. Genannt seien hier noch der Sozialwissenschaftler Heinrich Lechtape, eine der großen wissenschaftlichen Hoffnungen des Verbandes und des deutschen Katholizismus, der 1936, erst 40 Jahre alt, als Privatdozent in Münster starb. Auch sei verwiesen auf das reiche sozialwissenschaftliche und sozialpolitische Lebenswerk von Franz Mueller, der Mitte der 30er Jahre Universitätsprofessor in den Vereinigten Staaten, dem wir u.a. die prachtvollen Werke über die Unitarier Franz Hitze und Heinrich Pesch verdanken. Heinrich Leupke (1871-1953) sei hier als Freiburger Unitarier genannt. Als Pfarrer und Arbeiterseelsorger in Peine war er schon ob seiner vorbildlichen sozialen Einstellung bekannt. Als Flüchtlingsseelsorger, Organisator des katholischen Männerwerkes und Stadtdechant von Hannover ist er 1952 in den Sielen gestorben. In Berlin wirkten zwei unitarische Professoren vorbildlich auf sozial-caritativem Gebiet: Aloys Timpe (1882-1959) als Mitarbeiter Carl Sonnenscheins und als Vorsitzender der Caritas für Akademiker, und Geheimrat Martin Faßbender, seit 1907 Mitglied des deutschen Reichstags, der „Caritas-Apostel von Berlin". Die Liste sozialethisch und sozial-politisch tätiger Unitarier ließe sich fortführen bis in unsere unmittelbare Gegenwart. Wir dürfen mit Franz Mueller, unserem Bundesbruder in St. Paul Minnesota, zusammenfassen: „Die rastlose volkserzieherische Arbeit Hitzes und des Volksvereins ... zeitigte glänzende Erfolge". Ein weiteres Wort von ihm scheint uns noch wichtiger: „An die Stelle der kirchenpolitischen und religiösen Verteidigungsfront trat die „Einbürgerung" der deutschen Katholiken in den Staat durch die Pforte der Sozialpolitik unter Führung Hitzes".

(Ausschnitt aus "125 Jahre Unitas-Verband - Verpflichtung für die Zukunft" von Bbr. Dr. Peter Josef Hasenberg, unitas 8-9/1980)

Zurück